Libertà Monte Cucco

Ein Reisebericht von
Tobias Heilmann-Schuricht
über die Reise
Monte Cucco - wilde Pferde, sanfte Weiten
vom
06
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bis
13
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10
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2017

Ein Mauersegler schwebt über den großen Platz vor der Kathedrale und Ich frage mich, was Franz von Assisi wohl gefühlt hätte, wären wir vor rund 800 Jahren hier über ihn hinweg geflogen? Ich erfreue mich gerade zu sehr an Wind und Sonne, als dass ich hinein möchte, in die Basilika San Francesco, so schön sie auch sein mag.

Assisi - Ankommen und Vorfreude auf die nächsten 14 Tage

Es ist der 7. Oktober 2016, der erste Tag unserer Flugreise nach Umbrien und der starke Nordwind in der Region macht Fliegen heute eher schwierig. Es wird ein Off- und Kulturtag: Assisi, circa eine Stunde vom Monte Cucco, unserer Basis, entfernt. Erst mal einen Espresso zum Ankommen. Wir wandern lange durch die traumhafte Altstadt und besichtigen im Anschluss die 20 Fahrminuten entfernten Süd- und Weststartplätze des Monte Subbasio. Über einladende goldene Wiesen schweift mein Blick hinab in die Weiten des Tales und ich bekomme Vorfreude auf das, wovon so viele schwärmen, die hier schon geflogen sind. Ich werde wieder hier stehen, an meinem letzten Tag, zwei Wochen später, meine Mütze nur wenige Meter unter der Basis und der Wind mit einem Mittel von 50 Km/h. 

Christian - wertvolle Tips zum Fluggelände

“Klar könnte ein erfahrener Drachenpilot mit entsprechendem Flügel bei diesen Bedingungen starten... aber muss man das?" Es ist genau diese Einstellung, die ich an Christian Zehetmair schon seit meiner Ausbildung bei ihm schätze: Fliegen soll Spaß machen, nicht ein programmierter Leistungskampf sein. Immer wieder wird diese Reise mir neue Erfahrungen schenken - mit italienischer Gelassenheit und der ruhigen Aufmerksamkeit von Christian. Es ist schön, eine Vertrauensperson zu haben - für die vielen Situationen, die neu für mich sind, wie das Aufbauen und Starten bei 40 Km/h Wind und das Top Landen. Dies ist meine erste Flugreise und ich lerne auch schnell das Fliegen in der Gruppe zu schätzen, den Erfahrungsaustausch, die Beobachtungsmöglichkeit, die zerzausten Frisuren in der Früh und das gemeinsame Lachen über Dinge, die mal nicht so gelingen, wie man sich das denkt - Kameradschaft einfach.

Der Monte Cucco, das eigentliche Ziel unserer Reise, ist ein riesiger Grasbuckel, der frei im Wind steht und sowohl bei Süd-, als auch Nordlagen wundervolle Flugbedingungen bietet. Er ist Teil einer langen Verkettung von Gipfeln und Graden, an denen entlang man wunderschön durch den Himmel wandern kann. 

Ralf beim Soaring hoch über dem Startplatz Monte Cucco Süd

Freiziehende Pferde- und Rinderherden verleihen dieser Landschaft ein zusätzliches Gefühl von Ursprünglichkeit. Aber auch bei Osttendenzen gibt es hier einige unoffizielle Hänge, die perfekt angeströmt und gut mit dem Auto zu erreichen sind. Ja, Auto! Für einen Wallberg-Kurzpacker ist diese ganze Region Luxus pur. Mit dem Auto an die Startplätze, abladen, aufbauen und los.

Reisebericht Monte Cucco
Mein erster Flug vom Startplatz Monte Cucco Nord

Sigillo, am Fuße des Nationalparks Monte Cucco, ist das Herz der regionalen Delta-Szene. Kinder auf der Straße zeigen begeistert auf dein Dachgepäck und in vielen Bars, Hotels oder Restaurants wirst Du gefragt, wie Dein Flug war. Man spürt, wie stark dieser Ort seit vielen Jahrzehnten mit dem Drachenfliegen verbunden ist. Und obwohl der Monte Cucco das italienische Drachenflieger-Mekka ist, konnte ich zu meiner Freude keinerlei Reibungen, auch nicht in vermeintlich scherzhafter Gesprächsform, mit dem Gleitschirmfliegen wahrnehmen. Die italienische Lebensart ist an diesem Ort nicht nur am Boden, sondern auch in der Luft eine Wohltat für die Seele.

Zwei Dinge möchte ich Euch am Monte Cucco ans Herz legen: Unsere Unterkunft, den Agriturismo Santa Croce und das Restaurant Da Tobia, oben auf dem Monte Cucco. Das Restaurant, in dem man auch morgens schon Cappuccino und ein dampfendes Brioche bekommt, wird von Alberto Beni geführt, einem liebenswürdigen Gastgeber, der selber viele Jahre Drachen geflogen ist und sich immer über Fliegerbesuch freut. 

Pferde schweifen frei durch den Nationalpark Monte Cucco

Er spricht sogar Deutsch, da sein Vater, nach dem das Restaurant benannt ist, aus Deutschland stammt. Ich habe viele Stunden und Malzeiten dort verbracht, vor allem wenn die Startplätze mal wieder mit Wolken zugeschoben waren. Unsere Unterkunft war eine kleine, ruhige Oase am Fuße des Monte Cucco. Theoretisch wäre ein Flug bis an unsere Zimmer möglich gewesen, denn die Wiese neben dem Agriturismo bietet reichlich Platz für Hängegleiter. Realisiert haben wir es leider nie, aber dafür sind ja Wiederholungsreisen da. Auch einen Flug vom benachbarten Monte Gemmo - Tre Pizzi haben wir zeitlich nicht mehr geschafft. Auf ein Wiedersehen!

Das Wetter war, wie vielerorts ein Thema für sich und ist nicht immer so eingetreten, wie auf diversen Wetterportalen verkündet. In jedem Fall nützlich fand ich ich die Webseite von Volo Libero, auf der man die aktuellen Wetterbedingungen oben am Berg abrufen kann, denn gerade die Windverhältnisse im Tal gaben selten Aufschluss über den Wind am Startplatz.

Die Flug-Gang am Fuße des Monte Subbasio bei Assisi

Der Monte Cucco und seine Umgebung sind sicherlich mehr als nur eine Reise wert - ein Spielplatz in der Luft und ein Ort der Erholung am Boden. In einer Großregion, die in letzter Zeit immer wieder von starken Erdbeben erschüttert wurde, sind Flieger gern gesehene Gäste, denn der Tourismus spielt dort eine wichtige Rolle. Und wenn das Wetter mal nicht so will, wie der Pilot, bieten Orte wie Assisi, Gubbio oder Perugia lohnende Ausflugsziele.

Es gäbe noch so vieles zu berichten: Kreisende Steinadler, atemberaubende Wetterpanoramen und Wolfsgeheul bei Vollmond. Aber die Stunde ist spät und der Vino Rosso leer. Bleibt mir nur die Vorfreude auf meine nächste Flugreise im Januar nach Andalusien.

Le deseo muchos grandes vuelos y aterrizajes felices!

Reisebericht verfasst am
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2016